Wie sind Sie vor 10 Jahren ins Schollheim gekommen?
Filser: Ich wohne ja schon seit 24 Jahren hier, war schon bis auf ein zweimal auf den Straßenfesten und habe immer gedacht, cooles Haus, nette Leute und als meine Kinder kamen, war ich 10 Jahre zu Hause. Zwischendurch habe ich einige Monate bei einem Makler gearbeitet und so. Dann habe ich eine Anzeige hier in der Zeitung von Herrn Jenisch gesehen: „Für 15 Stunden Hilfskraft gesucht“ – und da dachte ich mir, da mir langweilig zu Hause war, da die Kinder endlich in der Schule sind, dann könnte ich 15 Stunden vormittags ein bisschen etwas tun. Hilfskraft kriege ich locker hin, auch wenn ich schon 10 Jahre nicht mehr im Beruf war. Naja, dann habe ich mich hier beworben. Frau Ruth und Herr Jenisch waren beim Vorstellungsgespräch an einem Mittwoch dabei, und dann hieß es, wir melden uns die nächsten Tage. Ich bin nach Hause gegangen (ich hab‘s ja nicht weit ;o)) und eine Stunde später bekam ich den Anruf, wann ich denn anfangen könnte. Ich so, vielleicht Montag? Genau, und das war dann der 21.Mai. Das war echt Luxus.
Wie sind Sie vor 25 Jahren ins Schollheim gekommen?
Flieger: Ich habe früher beim Schollheim die Wäsche abgeholt. Der alte Hausmeister hatte in der Bar ne Flasche Schnaps geklaut und musste gehen. Daraufhin habe ich mich dann beworben und den alten Hausmeister gefragt, ob ich denn eine Chance hätte. Da hat er gemeint, das sieht schlecht aus, du bist zu jung. Dann bin ich zum Vorstellungsgespräch gekommen und der Herr Jenisch hat gefragt, wie ich politisch eingestellt bin, da habe ich gesagt, das ist mir egal, und ob ich Schweißen kann. Ich habe gesagt, Schweißen kann ich nicht, aber das kann man lernen. Das hat ihm wohl gefallen, da hat er mich genommen. Und jetzt bin ich da.
Was sind für Sie die größten Herausforderungen hier im Schollheim?
Flieger: Die größte Herausforderung ist, die Studenten zu erziehen, dass sie nichts kaputt machen und Folgen lernen, weil die folgen ja nicht. Ich habe zu Hause noch nie einen Wasserhahn oder Duschkopf kaputt gemacht, aber bei euch fasst einer den Wasserhahn an, und der ist dann kaputt. Ich verstehe das nicht. Die Bauarbeiten waren auch sehr stressig.
Filser: Meine größten Herausforderungen sind einmal der Personalwechsel und dann der Spagat zwischen Geschäftsführung, Vorstand und euch Bewohnern. Da gerecht und ruhig zu bleiben. Ihr wisst, ich bin meistens auf eurer Seite, aber es ist nicht einfach, Allen und Allem gerecht zu werden. Die Nachbarn sind auch eine Herausforderung. Das ist jedes Jahr das gleiche.
Was motiviert Sie, jeden Tag ins Wohnheim zu kommen?
Filser: Die Schollis! Ich mag euch alle sehr. Klar kommt man mal mit dem einen besser aus als mit dem anderen, aber es vergeht kein Tag, wo nicht auch mal etwas Lustiges passiert. Und langweilig wir´s mit euch nie. Eure Herzlichkeit, eure Freundlichkeit, euer Entgegenkommen, das macht Spaß. Ich brauch nur rufen, und ihr helft, ich habe immer Unterstützung, ich stehe nicht allein da.
Flieger: Ja, die Arbeit selbst macht oft schon Spaß, es ist sehr abwechslungsreich. Zurzeit ist es etwas schwierig mit der fehlenden Anerkennung, daher macht es gerade nicht ganz so viel Spaß wie früher. Die Sauberkeit lässt auch ein wenig zu wünschen übrig. Aber an sich macht die Arbeit mit den Bewohnern und dem Mitarbeiterteam wirklich Spaß.
Wie hat sich das Schollheim über die Jahre verändert?
Flieger: Früher als es Haus 3 noch nicht gab war halt alles älter und noch nicht so neu und renoviert. Aber dafür waren die alten Toilettenspülungen qualitativ deutlich besser als die neuen. Die verkalken ständig und müssen repariert werden. Da war der Druckspüler besser. Jetzt mit Haus 3 gibt es halt mehr Arbeit in den Apartments, weil da auch häufig was an der Küchenzeile kaputt geht und so. Also da hat man mehr Arbeit als mit den kleinen Zimmern. In denen ist meistens eher mal ein Schrank kaputt. Aber mit den Apartments gibt es jetzt halt mehr Duschen, mehr Toiletten und mehr Küchenzeilen und da geht halt eher mal was kaputt. Die Jugendlichen sind schon anders als früher. Früher waren sie handwerklich begabt. Heute schauen sie mich fragend an, wenn ich ihnen eine Glühbirne in die Hand drücke und sagen: „Ich kann das nicht“. Früher wurde gefragt: „Herr Flieger kann ich was helfen?“ Wir haben ganz viel gemeinsam gebastelt und gewerkelt. Heute machen diese Sachen Firmen und das kostet natürlich viel mehr.
Filser: Was auffällt: seitdem es Herrn Jenisch nicht mehr gibt, ist ein Umbruch zu erkennen, ganz klar. Das Familiäre geht immer mehr verloren. Da müssen wir uns mit abfinden und selbst die Menschlichkeit und das Miteinander wieder in den Alltag holen. Herr Jenisch kannte jeden, hat sich für uns persönlich interessiert. Aber er war eine andere Generation, wir waren seine Familie. Das hat sich sehr gewandelt.
Wie gestaltet sich die Beziehung zu den Bewohner:innen?
Filser: Jeden Monat ziehen Leute ein oder aus, die man kennengelernt hat. Da tut es einem Leid, dass sie ausziehen, aber dann kommen wieder Neue. Meine Tür steht immer für jeden offen und alle können immer gerne zu mir kommen, egal ob nur zum Ratschen oder jeglichen Problemen oder Hilfe, ich bin für jeden da. Ich bin mit sehr vielen noch in Kontakt die bereits ausgezogen sind.
Flieger: Damals waren die Studenten ganz glücklich, wenn ich alles sofort erledigt habe. Ich helfe ja gerne, sonst hätte ich den Job nicht so lange gemacht.
Gibt es einen besonderen Moment oder eine Anekdote, der in Erinnerung geblieben ist?
Flieger: Es ist schon passiert, dass ich einen Zettel mit einer Reparatur hatte, mehrmals an der Tür geklopft habe, keiner hat aufgemacht, dann bin ich rein und dann lag da ein Pärchen im Bett. Da habe ich gleich wieder zu gemacht. Einer hat auch mal eine Abschiedsfeier gemacht und gefragt, ob ich auch komme. Das ging bis früh um 4, da bin ich mit dem Auto heimgefahren, was man nicht machen sollte, habe mich umgezogen ins Arbeitsgewand und dann den ganzen Tag meine Arbeit gemacht. Da war ich noch jünger.
Filser: Es gibt viele kleine Anekdoten, die ich aber alle für mich behalten werde, weil ansonsten wisst ihr, wie viel ich tatsächlich mitkriege, und das sollt ihr ja gar nicht. Es gibt viele schöne Momente. Besonders gerne erinnere ich mich immer an eure Feste, egal welche. Besonders in Erinnerung geblieben ist mir die Schollheimkehr, es war ein sehr schönes, offenes Fest, herzlich, jeder hat sich gefreut, und Vera Dippel und Sarah Ziegler haben so wunderbare Worte gefunden, die mich sehr berührt haben und die ich nicht so schnell vergessen werde. Es gab auch mal ein Sommerfest, da hat ein Bewohner – den Namen nenne ich jetzt mal nicht – gemeint, er müsse mich abfüllen, aber das hat nicht geklappt. Ich bin standhaft geblieben, der Ouzo war lehr und ich saß immer noch. Es gibt viele Erinnerungen, positive und auch negative, aber die positiven überwiegen. Ah, mir fällt noch eine (lustige) Anekdote ein. Einige haben ja meine Handynummer oder wissen, wo ich wohne. Ich kann mich noch gut an den Wasserrohrbruch erinnern, wo wir die ganze Nacht im Schlafanzug Wasser geschöpft haben, bis die Handwerker gekommen sind und ewig den Schaden nicht gefunden haben. Das war nicht das einzige Mal, dass ich Nachts rausgerufen wurde oder werde.
Gibt es Themen, die sie sich für die Zukunft wünschen?
Flieger: Ich hoffe, dass das Schollheim noch lange besteht und alles übersteht und dass es so bleibt und sich nicht viel ändert.
Filser: Das Schollheim ist das Schollheim, einmal Scholli, immer Scholli, das ist was Besonderes. Ich hoffe, dass es noch lange so eine große Familie bleibt. Ich wünsche mir, dass ihr auch weiterhin so hilfsbereit und menschlich, lustig und offen und vertrauenswürdig bleibt. Und wenn was ist, kommt zu mir.
Abschließend möchten wir Frau Filser und Herrn Flieger unseren tiefsten Dank für ihre Zeit und die Einblicke, die sie mit uns geteilt haben, aussprechen. Frau Filser und Herr Flieger sind für viele Bewohner:innen und Mitarbeiter:innen mehr als nur Angestellte – sie sind das Herzstück unserer Gemeinschaft. Wir freuen uns darauf, noch viele weitere Jahre mit ihnen zusammenzuarbeiten und gemeinsam das Wohnheim zu einem Ort zu machen, an dem sich jede:r willkommen und zuhause fühlt. Vielen Dank für alles, was Sie tun!