Wohin man auch schaut in der Welt von 2024 – an allen Ecken und Enden ist die Demokratie bedroht durch Kräfte der Autokratie, Verunsicherung und Spaltung. Kräfte, die versuchen Pluralismus und Vielfalt dem Erdboden gleichzumachen oder zumindest massiv einzudämmen. Das geschieht im Großen auf Staatenebene – ganz aktuell aber auch im Kleinen durch das Studierendenwerk München Oberbayern. Bisher konnten sich die diesem unterstellten Wohnheime durch demokratische Prozesse selbst verwalten, indem etwa Haussprecher:innen und Tutor:innen von den Heimbewohner:innen selbst gewählt wurden, um entsprechend demokratischer Grundprinzipien die Interessen der Bewohner:innenschaft möglichst adäquat zu vertreten – sowohl nach innen als auch nach außen, um bei Problemen zu vermitteln, das Zusammenleben miteinander zu organisieren und die für die Studierendenkultur Münchens so wertvollen größeren und kleineren Events, wie etwa den Biedersteiner Fasching, unabhängig und vielfältig zu gestalten.
Damit soll nun Schluss sein: Per E‑Mail teilte das Studierendenwerk am 6. Februar 2024 umfangreiche änderungen mit, unter anderem auch, dass künftig das Amt der Haussprecher:innen wegfallen und durch via Bewerbung beim Studierendenwerk ausgewählte Tutor:innen übernommen werden soll. Auch die Wohnzeitverlängerungen aufgrund ehrenamtlichen Engagements von Studierenden im Wohnheim sollen zukünftig nicht fortbestehen.
"Das Studierendenwerk greift unsere demokratischen Strukturen an"
Flyer mit Aufruf zur Demonstration gegen die neuen Richtlinien
Der obige Satz ist auf der Seite des Biedersteiner Wohnheims in Zusammenhang mit den neuen Richtlinien zu lesen. Die betroffenen Studierenden sind von den Plänen des Studierendenwerks schockiert und fürchten um das Wohnheimsleben, das sie bisher kannten und schätzten – eben weil es bisher durch den engagierten Einsatz und die Mitsprache der Bewohner:innen entstehen konnte und auf unterschiedlichste Weise bereichert wurde.
Im Münchner Wohnheimforum haben die gewählten Vertreter:innen aus 17 vom Studierendenwerk verwalteten Wohnheimen ihre detaillierten Forderungen in einem Positionspapier zusammengefasst. Zahlreiche Zeitungen haben über die Lage berichtet und es hat sich ein wohnheimsübergreifender Protest formiert, bei welchem ca. 200 Protestierende (hauptsächlich Studierende) sich am Geschwister Scholl Platz versammelt haben.
"Studierendenvertretung, die kein gesetzliches Mandat zur Vertretung von Studierenden besitzt"
Das Studierendenwerk zeigte jedoch wenig Verständnis für die Sorgen der Studierenden. Ein Vertreter kommentierte etwa sinngemäß, man solle sich doch mal in der Welt umsehen, wo sonst so die Demokratie verloren ginge und dann überlegen, ob die Maßstäbe bei diesem Protest hier so angebracht seien. Die neuen Richtlinien werden wie geplant umgesetzt, wie das Studierendenwerk in seiner Pressemitteilung klargestellt hat.
Selbstverwaltung und Selbstvertretung
Text von Vivian Schader und Gergely Palágyi