Geschichte des Vereins
Hinter dem Studentenwohnheim Geschwister Scholl e.V. steht der 1956 gegründete, gleichnamige Verein (Studentenwohnheim Geschwister Scholl e.V.). Er ist Eigentümer des Wohnheims und verwaltet es seit dessen Eröffnung 1960.
Geschichte des Vereins
Hinter dem Studentenwohnheim Geschwister Scholl e.V. steht der 1956 gegründete, gleichnamige Verein (Studentenwohnheim Geschwister Scholl e.V.). Er ist Eigentümer des Wohnheims und verwaltet es seit dessen Eröffnung 1960.
Die Ausgangssituation (1946 bis 1956)
Luftaufnahme im Bereich Schwere Reiter Straße im Jahr 1945, das Grundstück des Schollheims ist rot markeirt. Quelle: StaMü FS-1945-7125
Nach dem zweiten Weltkrieg waren 50% der Gebäude der Stadt München zerstört. Infolgedessen waren etwa 300 000 Menschen obdachlos. Als im April 1946 die Technische Hochschule (TUM) und im Juni 1946 die Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) ihren Lehrbetrieb wieder aufnahmen, war nicht der Bau von Studentenwohnheimen das Gebot der Stunde. Viel problematischer war das Schaffen von Wohnraum allgemein, um die größte Not zu beseitigen. Um dieses Ziel zu erreichen, schlossen die Vergaberichtlinien für den sozialen Wohnungsbau die Vermietung von Zimmern an Studierende aus. Gleichzeitig stieg aber die Zahl der Studierenden an beiden Universitäten, 1949 waren es bereits etwa 15 000. Steigende Studierendenzahlen vergrößerten nun die Wohnungsnot in München zusätzlich. Zu Beginn der 50er Jahre hatte sich die Situation weiter zugespitzt. Da die Förderung von Wohnplätzen für Studierende angesichts der allgemeinen Wohnungsnot keine Priorität in der Wohnungspolitik haben konnte, war eine Verbesserung der Situation nur durch private Initiative möglich.
Die Vereinsgründung (1956)
Damals wie heute sollten auch Kinder nicht wohlhabender Eltern eine Chance bekommen, eine Hochschule besuchen zu können. Dafür war und ist Voraussetzung, dass bezahlbarer Wohnraum vorhanden ist.
Um diesen zu schaffen, wurde am 13. Juni 1956 in einem Nebenraum des Cafés Odeon am Münchner Odeonsplatz der gemeinnützige Verein „Studentenwohnheim Geschwister Scholl e.V.“ gegründet. Einziges Ziel der Vereinssatzung: der Bau und Unterhalt eines Studentenwohnheims.
Die Idee zum Bau eines Studentenwohnheims war in der Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Akademiker entstanden. Die Anregung zur Gründung eines Vereins kam von Dr. Hans-Jochen Vogel, Mitglied der SPD und des Sozialistischen Deutschen Studentenbundes (SDS). Der damals 30-Jährige war Amtsrichter und Mitarbeiter in der Staatskanzlei des Bayerischen Ministerpräsidenten Dr. Wilhelm Hoegner und wurde später Münchner Oberbürgermeister und Bundesjustizminister. Über die Arbeitsgemeinschaft und private Bekanntschaften konnte Vogel drei Persönlichkeiten zur Unterstützung des Plans gewinnen, ein Studentenwohnheim zu bauen:
- den Dermatologen und Rektor der LMU, Dr. Alfred Marchionini,
- den bayerischen Staatsminister der Justiz, Fritz Koch, und
- das Vorstandsmitglied der damaligen Bayerischen Hypotheken- und Wechselbank, Adolf Eugen Samstag.
Der Einladung des Komitees unter Führung von Alfred Marchionini folgten 28 Persönlichkeiten, darunter Politiker, Professoren, Unternehmer, Gewerkschaftler, Bankiers, Verleger, Schriftsteller, Journalisten und höhere Beamte. Viele von ihnen waren prominente Gegner und Verfolgte des Nationalsozialismus, die meisten von ihnen aufgrund ihres sozialdemokratischen Engagements, weil sie Juden versteckten oder ihnen bei der Flucht halfen. Sie repräsentieren das „andere“ Deutschland um die Zeit des 2. Weltkrieges.
Bei der Vereinsgründung wurden für die folgenden Positionen gewählt:
- zum Vorsitzenden: Prof. Dr. Alfred Marchionini (s.o.),
- zu dessen Stellvertreter: Staatsminister Dr. Fritz Koch (s.o.),
- zu Beisitzern: Adolf Eugen Samstag (s.o.) und Erwin Essl, Landtagsabgeordneter und Bezirksleiter der IG Metall Bayern, außerdem Vorsitzender der Sozialistischen Arbeiterjugend in Schweinfurt bis 1933,
- zum Geschäftsführer: Dr. Hans-Jochen Vogel (s.o.).
Schirmherr des Vereins wurde der bayerische Ministerpräsident Dr. Wilhelm Hoegner (s.o.).
Die Versammlung beschloss, einen weiteren Beisitzer im Wege der Zuwahl zu bestimmen, um die Dominanz sozialdemokratischer Vereinsmitglieder im Vorstand auszugleichen.
Dieser wurde:
- der Präsident des Bayerischen Arbeitgeberverbandes und Mitglied des Bundesverbandes der Deutschen Industrie, Dr. Rolf Rodenstock.
unten: Fotogalerie der führenden Gründungsmitglieder
Weitere Gründungsmitglieder waren u.a.:
- der Chefredakteur der Bayerischen Staatszeitung, Karlheinz Lange,
- der Verleger Kurt Desch,
- der Schriftsteller, Gründer der „Gruppe 47“ und während der NS-Zeit Mitglied einer sozialistischen Widerstandsgruppe, Hans-Werner Richter,
- der politische Redakteur der sozialdemokratischen Zeitung „Münchener Post“ und Mitgründer sowie erster Chefredakteur der „Süddeutschen Zeitung“, Edmund Goldschagg,
- der Historiker Dr. Alexander Schenk Graf von Stauffenberg, älterer Bruder von Claus Schenk Graf von Stauffenberg, dessen Attentat auf Adolf Hitler am 20. Juli 1944 leider nicht erfolgreich war,
- der Staatsminister und Direktor des bayerischen Sparkassen- und Giroverbandes, Rudolf Zorn,
- der Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes München, Ludwig Koch, der vor dem 2. Weltkrieg auch Mitglied der Sozialistischen Arbeiterjugend war,
- der Publizist Burghard Freudenfeld,
- sowie der Student und spätere Jurist und Geschäftsführer des Vereins, Robert Jenisch.
Auffallend ist, dass viele der Vereins- und Vorstandsmitglieder auch persönliche Beziehungen zueinander pflegten:
Schirmherr Wilhelm Hoegner und der Vater der Geschwister Scholl, Robert Scholl, kannten sich persönlich, sie hatten ihr Haus in derselben Straße. Aus der Nachbarschaft entwickelte sich eine Freundschaft, häufig besuchten sich die Familien Hoegner und Scholl gegenseitig.
Des Weiteren war Alfred Marchionini ein Freund und Förderer von Hans-Jochen Vogel, der wiederrum den Justizminister Koch sehr gut aus seiner Tätigkeit ab 1952 als Assessor im Justizministerium und in der bayerischen Staatskanzlei kannte. Zu Vogels Freundeskreis gehörte auch der Chefredakteur der bayerischen Staatszeitung, Dr. Karl-Heinz Lange.
Die Namensgebung (1956)
Neben der Linderung der Wohnungsnot für Studierende gab es für den Bau eines Studentenwohnheimes noch ein anderes Motiv. Der damalige bayerische SPD-Vorsitzende und stellvertretende Bundesvorsitzende, Waldemar von Knoeringen, wollte die SPD von einer Klassenpartei in eine Volkspartei wandeln, indem er sie u.a. auch für Akademiker/innen wählbar machen wollte. Die Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Akademiker überlegte daher, dass man ein Studentenwohnheim errichten könnte, das für die SPD werben und junge Menschen, zukünftige Akademiker/innen, für die soziale Demokratie begeistern sollte.
Dieser Gedanke war für die Namensgebung „Geschwister Scholl“ ausschlaggebend: Durch die Erinnerung an zwei mutige, junge Menschen, die ihr Leben für Freiheit und Demokratie opferten, sollte die aktuelle Studierendengeneration zum Engagement für die Werte der Demokratie und des Grundgesetzes motiviert werden. Deshalb suchte die Arbeitsgemeinschaft den Kontakt zu Robert Scholl, dem Vater der Geschwister Scholl, und erhielt dessen Zustimmung zur Namensgebung. Gefördert wurde diese Entscheidung sicherlich auch durch die Freundschaft, die den Schirmherrn Hoegner mit Robert Scholl verband.
Eröffnung von Haus 1 und Enthüllung des Denkmals (1956 bis 1960)
Dem Vereinsvorsitzenden Alfred Marchionini und den anderen prominenten Mitstreitern gelang es, durch eigenes gutes Beispiel und vermögend ihrer guten Verbindungen, in nur zwei Jahren das nötige Eigenkapital über Spendenwerbung zu bilden, um staatliche Hilfen und Bankkredite zum Bau des ersten Hauses beantragen zu können. Nach Auswahl des Architekten Werner Wirsing, etwas mehr als einjähriger Bauzeit und dem Einzug der ersten Studierenden wurde Haus 1 am 7. Januar 1960 eröffnet. 144 bezahlbare Wohnplätze waren entstanden.
Bei der Eröffnungsrede von Dr. Hans-Jochen Vogel waren neben weiteren prominenten Gästen anwesend: das Ehepaar Hoegner, Robert Scholl, Prof. Dr. Theodor Maunz (von 1957-1964 bayerischer Kultusminister), Prof. Dr. Max Kneissl (Rektor der TUM), Prof. Dr. Egon Wiberg (Prorektor der LMU), Thomas Wimmer (Münchens Oberbürgermeister), das Ehepaar Wirsing, Mathilde Marchionini, Hans Demeter (Vorstandsvorsitzender der Münchner SPD) und Manfred Schmidt (stellvertretender Bundesvorsitzender des SDS).
„Die Bundesrepublik wird in diesen Tagen durch eine Welle antisemitischer und neonazistischer Schmierereien beunruhigt. Gerade das sollte uns Anlass sein, uns mit aller Deutlichkeit zu den Opfern des Nationalsozialismus und seiner Gräuel zu bekennen. Ich glaube, Herr Oberbürgermeister Scholl, es hat so gesehen einen tiefen Sinn, dass wir unserem Haus gerade in diesen Tagen den Namen Ihrer, von einem verabscheuungswürdigen System ermordeten, Kinder geben.“
Dr. Hans-Jochen Vogel mit seiner Frau bei der Gedenkstunde zur Enthüllung des Denkmals.
Dr. Hans-Jochen Vogel, Ausschnitt aus der Ansprache zur Eröffnung des Schollheims am 7. Januar 1960
Die Rede von Dr. Hans-Jochen Vogel hat nichts von ihrer damaligen Aktualität verloren. Das Studentenwohnheim sollte Ort der Erinnerung und Mahnung für die Zukunft sein. Der Verein beschloss deshalb, ein Denkmal für die ermordeten Geschwister Scholl zu errichten und einen Wettbewerb dafür auszuschreiben. Der Entwurf der Bildhauerin Christine Stadler wurde prämiert und realisiert. Das Denkmal gehört zu den bekanntesten Werken der Künstlerin. Finanziert wurde es durch eine Spende über 1 500 DM der IG Metall Bayern.
Zur Enthüllung des Denkmals am 17. Februar 1962 sprach der Historiker und das Vereinsmitglied Prof. Dr. Alexander Schenk Graf von Stauffenberg, Bruder von Claus von Stauffenberg, u.a. folgendes:
Am Denkmal (v.l.): Vereinsvorstand Prof. Dr. Marchionini und Prof. Dr. Alexander Graf von Stauffenberg
„Denn gerade das scheint mir das eigentliche Geheimnis ihres Opfergangs und ihres schweren und stolzen Sterbens, heute vor 19 Jahren, der Sinn ihres ihnen in der Blüte der Jugend auferlegten schweren und selbstgewählten Weges gewesen zu sein, was in einem Worte, „Entsühnung“, ausgedrückt ist: dass sie uns anderen, die wir zu tausenden und abertausenden das Unheil durch Kleinmut und Feigheit, durch Duldsamkeit und Geschehenlassen, mitverbrochen haben, die befleckte Erde gereinigt und die verlorene Selbstachtung zurückgegeben haben.“
Viel Prominenz war im Saal zur Feier der Denkmalsenthüllung erschienen. Der Vereinsvorsitzende Prof. Dr. Alfred Marchionini konnte u.a. Dr. Wilhelm Hoegner, Münchens Oberbürgermeister Dr. Hans-Jochen Vogel, Robert Scholl und Erwin Essl, als Vertreter der IG Metall, begrüßen.
Neben dem Vereinsvorsitzenden Prof. Dr. Alfred Marchionini war der Geschäftsführer des Vereins, Dr. Hans-Jochen Vogel, weitere treibende Kraft bei der Vereinsgründung, der Spendenwerbung und beim Bau von Haus 1. Im Jahr 1960 wurde er, damals gerade erst 34 Jahre alt, zum Oberbürgermeister der Landeshauptstadt München gewählt.
Bildergalerie zur Enthüllungsfeier des Denkmals der Geschwister Scholl von Christine Stadler am 17. Februar 1962
Geschäftsführung unter Robert Jenisch (1960 bis 2016)
unten: Fotogalerie der Vereinsvorsitzenden
Da Dr. Vogel nun die Geschäfte des Vereins nicht weiterführen konnte, musste der Verein jemand Neuen für diese Aufgabe auswählen. Der Blick fiel dabei auf Robert Jenisch, beruflich Jurist, der als junger Student des SDS bereits von der ersten Stunde an Mitglied des Vereins war. Während der Gründungszeit war er maßgeblich an den Vorbereitungen für den Bau von Haus 1 beteiligt gewesen und hatte schon länger die Geschäftsführung tatkräftig unterstützt. Er wurde im Dezember 1960 von der Mitgliederversammlung zum Nachfolger Vogels als Geschäftsführer des Vereins gewählt. Sogleich begann er mit der Spendenwerbung für Haus 2, dessen Planung und Baudurchführung. Bereits vier Jahre nach der Eröffnung des Studentenwohnheims Geschwister Scholl mit Haus 1 konnte Anfang 1964 der Erweiterungsbau auf dem benachbarten Ruinengrundstück mit 98 weiteren Zimmern bezogen werden.
Der Vereinsvorsitzende Prof. Dr. Alfred Marchionini erlebte noch die Fertigstellung von Haus 2, konnte sich allerdings an den Erfolgen des Vereins leider nicht lange erfreuen. Er starb am 6. April 1965 im Alter von nur 66 Jahren.
Zu seinem Nachfolger wählte die Mitgliederversammlung des Vereins den Biochemiker Feodor Lynen, damals Direktor des Max-Planck-Instituts für Zellchemie in Martinsried bei München. Es ist bewundernswert, dass sich der Nobelpreisträger für Medizin neben seinen zahlreichen anderen Ehrenämtern und Mitgliedschaften in wissenschaftlichen Gremien und Gesellschaften auch noch dieser Aufgabe stellte. Er starb am 6. August 1979 im Alter von 68 Jahren.
Nach ihm übernahm der Physiker Edgar Lüscher, Ordinarius für Experimentalphysik an der TUM, den Vorsitz des Vereins. Obwohl er durch seine Forschungsarbeit auf dem Gebiet der Festkörperphysik sowie durch den Aufbau des Physikdepartments in Garching stark ausgelastet war, nahm er sich die nötige Zeit für die Erfüllung der Vereinsaufgaben. Auch Professor Lüscher war bedauerlicherweise kein hohes Alter beschieden, er starb am 16. Januar 1990 im Alter von 64 Jahren.
Als Nachfolger von Professor Lüscher für den Vereinsvorsitz gelang es dem Verein, den bekannten Dermatologen Professor Dr. med. Dr. phil. Siegfried Borelli zu gewinnen. Er war Ordinarius und Direktor-Emeritus der Klinik und Poliklinik für Dermatologie und Allergologie der TUM und Ärztlicher Direktor der Klinik für Dermatologie und Allergologie Davos (Alexanderhausklinik). Professor Borelli, ein ehemaliger Schüler und ärztlicher Mitarbeiter von Professor Marchionini, betrachtete es von Anfang an als seine Verpflichtung, sich dem Werk seines akademischen Lehrers mit großem Engagement zu widmen.
Geschäftsführer Robert Jenisch hatte neben seinem Engagement bei der Vereinsgründung und dem Bau von Haus 1 und Haus 2 ferner wesentlichen Anteil am Bau des dritten Bauabschnitts „Haus 3“. Dieser beherbergt Apartments und wurde im Oktober 2019 bezugsfertig. Die Genehmigungen der Bau- und Finanzplanung fanden noch zu seinen Lebzeiten statt. Die Fertigstellung von Haus 3 konnte er nicht mehr miterleben, starb er doch im Oktober 2016 im Alter von 85 Jahren, nach 56 Jahren ehrenamtlicher Geschäftsführung des Vereins. Wie kein anderer hat er mit Energie und Leidenschaft für sein Studentenheim Erfolg gehabt, gekämpft und gelebt.
Erstbezug von Haus 3 und zukünftige Sanierungen (2016 – heute)
Fotogalerie der Geschäftsführer des Vereins
Nach dem Tod von Robert Jenisch musste umgehend ein neuer Geschäftsführer gewählt werden, der sich um die Zukunft des Baus von Haus 3 kümmerte. Der Tod von Robert Jenisch kam überraschend, aber er hatte bereits einen Nachfolger auf seine Aufgaben vorbereitet. Deshalb konnte der Vereinsvorstand Thomas Knappstein zum Nachfolger in die Geschäftsführung wählen. Jenisch kannte Knappstein aus der gemeinsamen Arbeit bei der Bauberufsgenossenschaft, auf seinen Vorschlag war er 2012 als Beisitzer in den Vorstand gewählt worden. Das waren gute Voraussetzungen, um aus dem Stand heraus neben den laufenden Geschäften des Vereins auch die Aufsicht über den Bau von Haus 3 und die Vorbereitungen für geplante Sanierungsarbeiten an Haus 1 und 2 zu übernehmen. Mit dem Abschluss der Bauarbeiten von Haus 3 trat Thomas Knappstein wegen seiner zeitlichen Belastung als Führungskraft in der Berufsgenossenschaft im März als Geschäftsführer zurück.
Der Vorstand berief Friedrich Graffe, den stellvertretenden Vorsitzenden des Vereins, zunächst kommissarisch, zu seinem Nachfolger. Er ist bereits Geschäftsführer der Alfred und Karl Marchionini-Stiftung.
Der langjährige Vereinsvorsitzende Prof. Dr. Dr. Siegfried Borelli trat altersbedingt zum Ende der Mitgliederversammlung im Januar 2020 als Vorstandsvorsitzender zurück. Aufgrund seiner Verdienste um Heim und Verein beschloss die Mitgliederversammlung einstimmig, Prof. Borelli den Ehrenvorsitz des Vereins anzutragen.
Zum neuen Vorstandsvorsitzenden wurde der Historiker und Medienwissenschaftler Prof. Dr. Peter von Rüden gewählt. Er war Direktor des Adolf-Grimme-Instituts, Hauptabteilungsleiter für Bildung und Kultur beim NDR-Fernsehen und Leiter der Forschungsstelle zur Rundfunkgeschichte des Leibnitz-Instituts für Medienforschung und der Universität Hamburg am Institut für Neuere Deutsche Literatur und Medienkultur. Von 1969 bis 1972 war er Tutor im Studentenwohnheim Geschwister Scholl und seit 2017 Beisitzer im Vereinsvorstand.
60 Jahre Schollheim und Eröffnungsfeier von Haus 3: Erinnerungen für die Zukunft (2020)
Wir, Verein und Wohnheimsbewohner/innen, sind stolz darauf, dass die Geschichte unseres Vereins, und damit auch die des Wohnheims, fortgeschrieben wird. Über deren Zukunft wurde auf der Jubiläumsfeier zu 60 Jahren Schollheim und der offiziellen Eröffnung von Haus 3 ausführlich abgehandelt. Anknüpfend an die Geschichte des Schollheims formulierten Münchens Oberbürgermeister, Dieter Reiter, der erste Geschäftsführer unseres Vereins, Dr. Hans-Jochen Vogel, und unser Vereinsvorsitzender, Prof. Dr. Peter von Rüden, Gedanken und Wünsche für die Zukunft.
Prof. Dr. von Rüden rekapitulierte die Geschichte unseres Vereins und formulierte in Bezug auf die Gegenwart folgenden Gedanken:
„Für mich ist [die] Abrechnung [unseres ersten Schirmherren Wilhelm Hoegners] mit dem Versagen der Demokraten vor dem Ende der Weimarer Republik mit dem Titel „Flucht vor Hitler: Erinnerungen an die Kapitulation der ersten deutschen Republik 1933“ von großer Aktualität, schildert es doch die innere, schleichende Auflösung einer Demokratie. Pointiert formuliert: Hoegner liefert die Belege dafür, dass in der Diktatur aufwacht, wer in der Demokratie schläft.“
Prof. Dr. von Rüden während seiner Reder zum 60-jährigen Jubiläum
An die Geschwister Scholl erinnerte Dr. Hans-Jochen Vogel in seiner Rede und appellierte:
„Noch wichtiger [als das internationale Kennenlernen] war aber ein anderer Kontakt all‘ dieser Bewohnerinnen und Bewohner[,] [n]ämlich der mit den Geschwistern Scholl, deren Namen sie ja täglich begegneten. Sie standen also in ständigem Kontakt mit zwei Menschen, die in einem nicht ganz einfachen Prozess den verbrecherischen Charakter des damaligen Regimes erkannten, dann dazu aufriefen, ihm Widerstand zu leisten und dafür schließlich ihr Leben opferten. Menschen, die eine Gesellschaftsordnung anstrebten, die auf Werten beruhte, den Menschen Freiheit gewährte und den Frieden wollte.
Deshalb ist die Erinnerung an Hans und Sophie Scholl auch eine Aufforderung, den Angriffen auf diese Werte und unsere Demokratie, an denen es ja gegenwärtig wahrlich nicht mangelt, entschieden entgegenzutreten.“
Oberbürgermeister Dieter Reiter während seiner Reder zum 60-jährigen Jubiläum
Oberbürgermeister Dieter Reiter betonte in seiner Festrede die Verbundenheit aller Münchner Oberbürgermeister mit dem Studentenwohnheim, das den Namen der Geschwister Scholl trage. Die Notwendigkeit, Rassismus, Diskriminierung und Antisemitismus zu bekämpfen, sei wieder aktuell geworden. Entwicklungen, die in München zwar noch überschaubar seien, aber – so Reiter: „Wir wollen das in unserer Stadt nie wiedersehen“.
Mit der Rede von Dieter Reiter spannt sich der Förderungsbogen für das Studentenwohnheim Geschwister Scholl e.V. vom ersten Münchner Oberbürgermeister nach dem 2. Weltkrieg, Thomas Wimmer, bis hin zum jetzigen. Das macht deutlich, dass unser Studentenwohnheim nicht irgendeins von vielen, sondern eine Münchner Besonderheit ist. Um das zu bleiben, und auch in Zukunft unserem Gründungsgedanken und unseren Namensgebern gerecht zu werden, ist es für uns wichtig, auch in Zukunft mehr zu sein als ein normales Studentenwohnheim: nämlich ein Ort, an dem über Politik, Zeitgeschichte, Literatur und Kunst debattiert wird.